Regensburg bleibt solidarisch

Am gestrigen Mittwoch rief unser Bündnismitglied, „Seebrücke Regensburg“, bereits  zum siebten Mal zur Kundgebung „Wir haben Platz: Geflüchtete aufnehmen! Jetzt!“ auf. Trotz des Lockdowns folgten mehr als 120 Menschen und mehrere unserer Mitgliedsgruppen dem Aufruf und versammelten sich unter strenger Einhaltung von Abstands- und Maskenpflicht auf dem Domplatz, um die Evakuierung aller Massenlager und die sofortige Aufnahme von Geflüchteten aus Griechenland zu fordern.

Auf der Kundgebung sprachen Rieke Breffka und Emma Schneller (Seebrücke Regensburg), Gotthold Streitberger (BürgerInneninitiative Asyl und Sprecherrat des Bayerischen Flüchtlingsrats), Bastian Käsbauer (Jusos Regensburg), Ralph Götting (Sea-Eye) und Ruth Aigner (Space-Eye).
 

Die Situation für Geflüchtete, besonders auf den griechischen Inseln, verschlimmert sich zunehmend. Die Rahmenbedingungen in den Lagern sind seit langem katastrophal, doch in den letzten Tagen bedrohten weiter fallende Temperaturen, heftige Regenschauer, Stürme, Fluten und weitere Brände die Leben der Schutzsuchenden zusätzlich. Erneut wurden hunderte Menschen obdachlos und verloren das Wenige, was sie besaßen. Gleichzeitig werden Hilfsorganisationen daran gehindert, die Geflüchteten mit dem Nötigsten zu versorgen. Zwar werden immer wieder anerkannte Asylbewerber*innen von den Insellagern auf das griechische Festland gebracht, um die Lager als Corona-Hotspots auszudünnen, doch dort sind diese auf sich alleine gestellt: Für tausende Menschen gibt es nun erneut keinen Zugang zu Grundversorgung. Kein Essen, keine medizinische Versorgung, keine Möglichkeiten, eine Unterkunft oder Arbeit zu finden. Das Ergebnis sind massenhafte Obdachlosigkeit und Corona-Hotspots in Athens Straßen.
 
„Das Vorgehen der europäischen Regierungen erschüttert uns zutiefst. Das Schicksal der Menschen scheint niemanden zu interessieren und das Elend der Schutzsuchenden wird hier zur Abschreckung missbraucht. Das geschaffene Bild soll suggerieren: Ihr (die Geflüchteten) seid nicht willkommen. Für euch gibt es hier nichts Gutes„, stellt Caro Renner von der Seebrücke klar.
 
Für die Geflüchteten gebe es keine Aussicht auf eine Verbesserung der Umstände in den Massenlagern. Nun wurde auch das von Freiwilligen aufgebaute und betreute Lager Pikpa, wo Geflüchtete einen sicheren, menschenwürdigen Ort zum Leben hatten, von der Regierung zwangsgeräumt.
 
„Dass ein selbstorganisiertes, ausschließlich von Spendengeldern getragenes Projekt ohne einsehbaren Grund geschlossen wird, zeigt, dass Griechenlands Regierung, und somit ganz Europa, Geflüchteten jedes Recht auf Unversehrtheit und Sicherheit nehmen will. Dieser Menschenverachtung wird aber laut widersprochen: allein in Deutschland haben sich inzwischen über 200 Städte und Kommunen zu ‚Sicheren Häfen‘ erklärt. Diese, und viele weitere europäische Städte und Kommunen, Organisationen und Initiativen zeigen tagtäglich: Wir haben Platz und wir wollen dieses Elend unbedingt auflösen!„, so Renner weiter.
 
Diese Aufnahmebereitschaft wird aber noch immer ignoriert. Ein paar der sicheren Häfen prüfen jetzt rechtliche Schritte, um wenigstens einige Menschen aufnehmen zu können.
 
„Es ist nicht unsere Aufgabe, Woche für Woche wiederholen zu müssen, dass es keine Frage sein darf, ob ich Menschenleben rette oder nicht. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Aber was sind unsere Gesetze und Werte wert, wenn wir sie nicht nur ignorieren, sondern schlimmer noch missachten und gegensätzlich handeln. Wohin sind wir gekommen, dass Menschenleben nur noch etwas wert sind, wenn sie Gewinn einbringen und Andere nur noch als Mittel für den Zweck, in dem Fall die Durchsetzung politischen Willens, dienen. Unsere Politik hat nicht nur versagt, mit jedem Tag wird es schlimmer, das ‚Nicht Hinsehen, die Ignoranz und das ‚Dagegen Ankämpfen, Menschen zu retten“, sagt Tamira Unger von der Seebrücke.
 
Solange Menschen in solch katastrophaler Lage sind, dürfe die Zivilgesellschaft nicht aufhören. Das gilt auch in so schwierigen Situationen wie der derzeitigen. Dabei nimmt die Seebrücke Regensburg die steigenden Corona-Ansteckungen nicht auf die leichte Schulter und achtete penibel auf die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften. Stellplätze in ausreichendem Abstand wurden zuvor mit Kreide markiert und die Anwesenden hielten sich hervorragend an die Maskenpflicht. Auch die Redner*innen trugen bei den Beiträgen Masken.
 
„Der Schutz aller Menschen ist unsere Priorität. Das gilt natürlich auch in Regensburg und da ist es uns eine Selbstverständlichkeit, alles Mögliche zu tun um Ansteckungen zu vermeiden“, stellt Johannes Rückerl von der Seebrücke klar. „Gleichzeitig dürfen wir aber auch nicht vergessen: Die Menschen in Kara Tepe und den anderen Lagern haben keine Möglichkeit auf Selbstisolation, nicht mal auf regelmäßiges Händewaschen. Sie sind Covid19 schutzlos ausgeliefert und sagen selbst, dass die Pandemie ihre ‚kleinste Sorge‘ sei. Nicht weil diese nicht tötet, sondern weil Hunger und Kälte schneller sind.“